Dissertationsprojekt: Allover – Genese und Geschichte eines Begriffs im Kontext Jackson Pollocks
Wieso leitet ein aus dem Umgangssprachlichen adaptierter Begriff wie Allover als „Gespenst der Vergangenheit“ den gegenwärtig geführten Diskurs um fotografische Bildsujets, wenn er doch in der Malerei so sperrig erscheint? Weshalb wurde der Begriff in der differenzierten Auseinandersetzung mit den Werken Jackson Pollocks bereits vor Jahrzehnten gemieden und ist dennoch in der heutigen Forschungsliteratur sowie Schriften zum Moderne-Diskurs immer wieder aufzufinden? Sind die dabei mit der Definition belegten Werke für den Betrachter konkret zu erschließen? Handelt es sich beim Allover um eine Technik, eine Form des Stils oder muss vielmehr von einer geistigen Haltung zum Bild gesprochen werden? Die Gemälde des amerikanischen Künstlers Jackson Pollock (1912–1956), die in den Jahren von 1947–1950 entstanden sind, gehören heute unmissverständlich zu den Hauptwerken im Œuvre des Künstlers. Die von Pollock adaptierte, weiterentwickelte und durch sein Schaffen zu noch nicht gekannter Umsetzung sowie Popularität gebrachte Technik des Drippings, führte zu Bildsujets höchster Abstraktion. Um Pollocks eigenwilliges Spiel mit den tradierten Vorstellungen von einem malerisch geschaffenen Bild jedoch zu erklären, wurden erneuerte und umfassend anwendbare Definitionen für die Bildinhalte seiner Gemälde benötigt. Das aus der englischen Sprache entnommene Wort Allover wurde letztlich definierend und fand als Allover-Painting Einzug in die allgemeine Erschließung. Laut dieser Definition werden die damit belegten Bildinhalte seitdem als dezentralisiert, zerstreut und sich nicht hierarchisch einteilbar bezeichnet. Der Sehprozess bleibt in steter Bewegung und verliert sich im Überall. Der Begriff der Dezentralisierung verweigert in seiner zu oberflächlich bestehenden Nutzbarkeit jedoch eine Übertragbarkeit von Werk zu Werk, wodurch eine allgemeingültig funktionierende und intermedial nutzbare Definition nicht zustande kommt. Das Dissertationsprojekt widmet sich der Entstehung, Geschichte und Semantik des Begriffes und soll insbesondere die Entwicklungen rekonstruieren, die zu seiner Nutzung und globalen Verwendung geführt haben. Im Rahmen der Dissertation wird, ausgehend von einer Analyse des Begriffs im engeren Bezug zu den Werken Jackson Pollocks, zunächst die Grundlage erarbeitet, um dann in diachroner Perspektive, die auch Rückblicke einschließt, die Ausformulierung und Rezeption des Allover-Konzepts zu untersuchen. Bisher fehlt eine stringente Begriffsgeschichte, die die Formulierung aus ihrer metaphorischen Verwendung löst und im Kontext ihrer intermedialen Verwendung die historische Semantik des Begriffs erklärt und ihn letztendlich zu einer verständlichen Definition führt.
Aktuelle Fortschritte des Forschungsprojektes sind im Blog der Forschungsstelle für informelle Kunst in Bonn zu entnehmen.
Beitragsbild: Wilhelm Bendz: The Life Class at the Royal Academy of Fine Arts, 1826. Artvee.com